Ministerpräsident Arsenij Jazeniuk bezeichnete das aktuelle Ministerkabinett als „Regierung der Kamikaze“. Fühlen Sie Sich als Kamikaze?

Ich fühle mich wie ein Minister, Mitglied der Regierung, und nicht als Kamikaze. Ich bin auf dem richtigen Platz und sehe Möglichkeiten für Veränderungen; Maßnahmen, die früher nicht gemacht wurden oder sogar nicht geplant waren.

Ungefähr vor einem Monat ist zwischen Ihnen und den Vertretern der großen Landwirtschaftsverbände ein Konflikt ausgebrochen. Sie haben den Verbänden Ineffektivität vorgeworfen. Ist dieser Konflikt jetzt überwunden?

Ich habe absolut normale, gleichberechtigte Beziehungen mit allen Assoziationen. Wir sind im ständigen Dialog mit Vertretern des Agribusiness – ich widme dem ungefähr ein Drittel meiner Arbeitszeit. Dieser Dialog ist pragmatisch, arbeitsorientiert. Aufgabe dieses Dialoges ist es, Projektvorschläge vorzubereiten.

Manchmal jedoch konzentrieren sich in der Öffentlichkeit gewisse Relikte aus der Vergangenheit und rufen „Los. Auf ihn!“. Sie vergessen, dass es meine Aufgabe ist, die Landwirtschaft in der Ukraine zu entwickeln, und nicht die Interessen Einzelner zu bedienen. Probleme und Schwierigkeiten der Agrarholdings sind Probleme einer Interessengruppe des Agrarmarktes des Landes. Außer ihnen gibt es noch mittlere Unternehmen, Viehhaltungsbetriebe, individuelle Hauswirtschaften. Aufgabe des Ministers ist es, Spielregeln zu schaffen und nicht Einzelnen zu gefallen. Wie ein Freund von mir sagte: „Ich bin kein Dollar, ich muss nicht allen gefallen“.

Nachdem Sie die Verbände der Ineffizienz beschuldigt haben, erklärten Sie die Gründung Ihres eigenen Verbandes – des Agrarrates der Ukraine. Hat er seine Tätigkeit bereits aufgenommen?

Wir gründen jetzt Zweigstellen in allen Gebietshauptstädten, die ich im Rahmen meiner dienstlichen Aufgaben besuche. Wir sind also in der Vorbereitungsphase. Die Geschwindigkeit der Entscheidungsfindung ist in der einzelnen Regionen unterschiedlich; man kann nicht kurzfristig den größten Verband der Mitglieder des Agrarmarktes gründen. Außerdem ist es zurzeit natürlich unmöglich, Zweigstellen des Rates in den Ostgebieten zu gründen. Wir hatten schon einige Termine für konstituierende Sitzungen des Rates ins Auge gefasst, mussten diese Pläne aber erst einmal aufgeben.

Macht es denn Sinn, einen weiteren Fachverband zu gründen?

Auf lokaler Ebene entsteht eine Struktur, zu der Menschen gehören, die sich unmittelbar mit der Landwirtschaft beschäftigen. Führende Persönlichkeiten – angesehene Businessleute – sind aufgetreten, auf die die einheimischen Landwirte hören, sich mit ihnen beraten. Speziell mit ihnen werden wir zusammenarbeiten. Zum Argarrat werden mehrere Kammern gehören, die für konkrete Bereiche zuständig sein werden. Dort werden Vertreter der Wirtschaft und der Politik, der Exekutive und der Legislative, zusammenarbeiten. Gemeinsam können sie nützliche und effiziente Gesetzesvorschläge entwerfen.

Man darf nicht ausschließlich der Wirtschaft die Gesetzesinitiative anvertrauen. Wenn die Gesetze allein von Wirtschaftsvertretern geschrieben werden, dann führt das zur kompletten Liberalisierung, bei der die staatlichen Interessen nicht berücksichtigt werden. Die Gewährleistung der Ernährungssicherheit im Land und der ökologischen Qualität der Lebensmittel würde dann nur ein Versprechen bleiben. Jede Entscheidung muss die Interessen sowohl der Wirtschaft, als auch des Staates berücksichtigen.

Gegen Großlandbesitz

Einer der Vorwürfe der Agrarassoziationen war Ihre Initiative über Beschränkung des Landbesitzes…

In der Ukraine muss – und wird! – ein Gesetz verabschiedet werden, das die Größe des Landbesitzes der Agrarfirmen beschränkt. Ich ändere meine Meinung dazu nicht, unabhängig davon, ob ich als ein Abgeordneter oder als Minister handele. Die erste negative Reaktion auf die Beschränkungen haben wir schon hinter uns, sie war nicht besonders stark.

Eine unkontrollierte Landbesitzerweiterung führt zur Verdrängung der Farmwirtschaften aus dem ländlichen Raum, zur Übernahme der kleinen Agrarbetriebe. Der einzige Vorteil des Gigantismus ist der Zuwachs des Produktionsvolumens. Dies kann man aber auf andere Weise erreichen: man führt faire Spielregeln ein, bei denen sowohl das Potential der Großproduzenten, als auch die Möglichkeiten von mittleren und kleinen Unternehmen berücksichtigt werden. Entsprechende Initiativen gibt es bereits, die Dokumente werden entworfen.

Objektiv gesehen lässt sich ein Unternehmen mit 20 000 ha leichter und effektiver managen als eine Holding mit 500 000 ha. Zwanzig Unternehmen mit jeweils 20 000 ha werden viel effektiver arbeiten als eine mit 400 000 ha. Das bestätigen internationale Erfahrungen.

Aber die Holdings können doch einfach ihr Business „aufteilen“ und mehrere Unternehmen statt einem großen registrieren lassen, und auf diese Weise das Verbot umgehen.

Der Landbesitz wird nicht nur für einzelne Unternehmen eingeführt, sondern auch für verbundene Firmen. Als Jurist kann ich sagen, dass man alle Verbindungen zwischen unterschiedlichen formell unabhängigen Unternehmen feststellen kann. Und wir werden das verfolgen – wir haben genug ausgebildete und erfahren Fachleute, die diese Aufgabe bewältigen können.

Wie groß wird der maximale Landbesitz sein? 20 000 ha?

Zurzeit kann ich das noch nicht sagen. Daran arbeiten Spezialisten aus dem Ministerium und Expertengruppen, es werden verschiedene Varianten diskutiert. Früher stockten alle Vorschläge, weil der subjektive Faktor dazwischen kam: Diese Größe musste an die Interessen bestimmter Unternehmen angepasst werden oder umgekehrt, es wurden andere Unternehmen benachteiligt. Die Menschen brachten ins Ministerium sehr viele wichtige Argumente, es fehlte aber der politische Wille, um Entscheidungen zu treffen. Ich kann konkrete Zahlen der Landbeschränkung für Privatbetriebe nennen, wenn der Gesetzentwurf im Parlament vorliegt.

Wie wird die Beschränkung in der Praxis umgesetzt werden?

Man muss präzisieren, dass die Entstehung dieses Gesetzes nicht automatisch Restitution – also Zwangstrennung – der vorhanden riesigen Agrarholdings bedeutet. Die Spielregeln werden festgelegt und allmählich werden sie das Bild auf dem Markt verändern. Die Landwirte erhalten klare Spielregeln und können ihre strategischen Pläne für die nächsten 5, 10, 20 Jahre entwickeln.

In Europa, zum Beispiel, haben viele Eigentümer von vertikal aufgebauten Agrarholdings freiwillig einige Produktionsbereiche aufgegeben, indem sie sie an die Abteilungsleiter verkauft haben. Aus Angestellten wurden Partner, Stammkunden, Stammbesteller. Ein solcher Weg hat sich, sowohl für das Land, als auch für die Unternehmen als effektiv erwiesen.

Die Macht dem Volke, das Land den Bauern

Soll man das Moratorium auf den Landverkauf aufheben? Wird das dem Agrarsektor helfen?

Das Land ist das Eigentum des Volkes der Ukraine, deshalb soll es völlig im Eigentum des Staates bleiben. Man darf das Land nicht verkaufen. Das muss durch Gesetze gesichert und darf nicht durch das Moratorium blockiert werden.

Wer wird in diesem Fall die Rechte für die Landnutzung verteilen?

Der Landmarkt soll existieren und erfolgreich arbeiten. Gehandelt wird aber nicht das Eigentumsrecht, sondern das Recht auf die Pacht. Jetzt sind fast alle mit den Pachtbedingungen zufrieden. Nach meinem Kenntnisstand hat niemand vor, das Land für eigene Geschäfte zu kaufen – weder die kleinen Landwirte, noch mittlere Unternehmen oder die mächtige Agrarholdings. Sie verfügen einfach über nicht genug Geld, um das Land für den Marktpreis zu kaufen. Das bedeutet, dass das Land derjenige kaufen wird, der mit ihm spekulieren will.

Welchen Ausweg schlagen Sie vor?

Die Schaffung einer Nationalen Bodenbank. Das soll eine Bank der höchsten Ebene sein, wie die NBU. Sie wird Grundstücke bei den Eigentümern, die diese während der Privatisierung (распаевкa) erhalten hatten, zu einem fairen Preis abkaufen. Im Endeffekt werden diese Flächen durch die Dorfgemeinden zur Pacht vergeben. So ein Gesetzentwurf wurde bereits vor 3 Jahren erarbeitet als wir, von der Partei „Swoboda“, ihn in ein allukrainisches Referendum einbringen wollten. Ich bin immer noch dieser Ansicht.

Regeln gegen die Korruption

Die neue Regierung hat die Bekämpfung der Korruption als eine der Hauptaufgaben bestimmt. Die Fachverbände werfen Ihnen vor, in diesem Bereich untätig zu sein…

Wir haben viele Korruptionsschemen aufgedeckt. Die Mehrheit von ihnen basiert auf Rechtsakten, die von verschiedenen staatlichen Organen in den letzten Jahren verabschiedet wurden. Jetzt beseitigen wir diese.

Können Sie Beispiele anführen?

Es gibt sehr viele davon. Ein Schema, das wir bereits beseitigt haben, war die Zertifizierung einzelner Lieferpartien von Agrarproduktion. In den Dokumenten war, für die Ausstellung der Zertifikate eine Frist von 30 Tagen vorgesehen. Dabei musste die Ware schon auf LKWs verladen sein, damit man sie gegebenenfalls prüfen konnte. Jeder Tag Standzeit bedeutete hohe Verluste für die Produzenten. Das eröffnete Möglichkeiten für die Korruption seitens des Inspektors, der die Zertifikate ausstellte.

Ein anderes Beispiel ist die Ausstellung der Zertifikate für die Einfuhr von Landwirtschaftstechnik. Das Dokument stellt das Pogorelyj-Institut aus. Dabei ist es egal, ob die modernste Technik führender Weltfirmen importiert wird: ohne Zertifikate darf man sie nicht einführen. Das ist vergleichbar mit der Ausstellung eines Zertifikats für die Einfuhr von Mercedes und Bentley durch einen Werkstattmitarbeiter aus einem keinen Dorf.

Wie planen Sie, diese Schemen zu bekämpfen?

Wir werden die Gesetzgebung verändern. Wo ungenau ausformulierte Regeln bestehen, gibt es Möglichkeiten für nicht eindeutige Auslegungen und damit Möglichkeiten für Korruption. Zusammen mit Juristen und dem Agrarrat der Ukraine arbeiten wir den Agrarkodex der Ukraine aus und werden ihn 2015 vorstellen. Es wird leicht und bequem auf seiner Basis zu arbeiten; Zweideutigkeiten wird es dann nicht mehr geben.

Gibt es Beispiele von direkter Bestechung?

Wir untersuchen viele Fälle. Einer der Letzten – die Verteilung von Grundstücken in Kontscha Saspa. Ohne Rechtsgrundlage wurden Grundstücke an Menschen vergeben, die der früheren Regierung nahe standen. Jeweils 10 ha wurden kostenlos zugeteilt, dazu 25 ha – gegen Bezahlung. Wir überprüfen, ob der Marktpreis bezahlt wurde. Als der Vorsitzender der Staatlichen Landwirtschaftsinspektion mir diese Dokumente brachte, sagte er mir direkt: “Das ist erst der Anfang.” Wir haben gerade erst angefangen zu suchen und Verletzungen aufzuspüren.

Quelle: Ministerium für Agrarpolitik und Ernährung der Ukraine

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