Webinar IAMO 1Am 06.04.2022 fand im Rahmen der Podiumsdiskussionsreihe „Wird die russische Invasion in der Ukraine in 2022 zu einer umfassenden Umwälzung der Agrar- und Lebensmittelmärkte führen?“ das 2. Webinar statt, das in Kooperation mit dem Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformations-ökonomien (IAMO, Deutschland), der Kyiv School of Economics (KSE, Ukraine), der Wageningen University & Research (WUR, Niederlanden) und dem Deutsch-Ukrainischen Agrarpolitischen Dialog (APD, Ukraine) veranstaltet wurde.

Die Teilnehmer dieser Veranstaltung setzten sich mit dem gesamten Spektrum von Herausforderungen in der Agrarproduktion und den Agrarlieferketten auf der vorgelagerten und nachgelagerten Stufe detailliert auseinander, mit denen man wegen der russischen militärischen Invasion auf die Ukraine bereits konfrontiert ist oder in Zukunft konfrontiert werden kann. Diese Veranstaltung, die von Prof. Stephan von Cramon-Taubadel, Universität Göttingen, moderiert wurde, setzte sich zum Ziel, alle Beteiligten für die eventuellen Änderungen auf internationalen Agrar- und Lebensmittelmärkten zu sensibilisieren. In seinem Grußwort wies Prof. Alfons Balmann, Leiter der Abteilung Betriebs- und Strukturentwicklung im ländlichen Raum, IAMO, auf die wichtige Rolle der Ukraine als eines der führenden Akteure auf dem Weltagrarmarkt hin.

Webinar IAMO 2Über die Auswirkungen der russischen Invasion auf die Ukraine auf die globale Lebensmittelsicherheit berichtete in seiner Präsentation Joseph Glauber, Senior Research Fellow at Markets, Trade and Institutions Division of International Food Policy Research Institute, IFPRI. Er stellte fest, dass der Krieg in der Ukraine tiefgehende Folgen für die Lebensmittelsicherheit in Ländern des Nahen Ostens, u.a. Jemen, Libanon und Ägypten, bewirken kann, in denen der Anteil der Ukraine und Russlands am Gesamtexportvolumen (Umrechnung in Kalorien) zusammengerechnet von 20 bis 50% schwankt. Darüber hinaus ist mit Problemen infolge der Reduzierung der Düngemittelausfuhren aus Russland und Belarus zu rechnen, deren Anteil am Weltmarkt für Mineraldüngemittel bei 15% liegt. Auf die Rolle der Exportbeschränkungen für Lebensmittel aus Russland ging Linde Goetz, IAMO, ein. Sie hob die dominierende Position Russlands und der Ukraine auf Weltmärkten für Weizen, Gerste und Mais hervor und stellte in ihrer Prognose fest, dass die in Russland verhängten Exportrestriktionen für Getreideausfuhren zum Gegenteil führen können: die aus russischer Sicht „unfreundlichen Staaten“ können von der positiven Preiskonjunktur auf internationalen Märkten profitieren, während die Lebensmittelsicherheit in einigen „freundlichen“ Ländern in Gefahr geraten kann. Zugleich macht die russische Blockade der ukrainischen Häfen die ukrainische Getreideproduktion nicht wettbewerbsfähig, was die dominierende Stellung Russlands kurzfristig und womöglich mittelfristig stärken kann. Eine wichtige Bedeutung gewinnt daher die Unterstützung der EU für ukrainische Produzenten und Exporteure. Perspektiven der Produktion und des Exports in der Ukraine in 2022 aus operativer Sicht stellte der geschäftsführende Leiter von Continental Farmers Group Ukraine, Georg von Nolcken, dar. Er stellte u.a. Prognosen der Ernte von wichtigsten Anbaufrüchten in der Ukraine in 2022 vor. Laut Herrn von Nolcken sei der Zugang zu den Hauptproduktionsmitteln, insbesondere Brennstoffen, die größte Herausforderung, wobei hier mit wesentlichen Unterschieden für Groß- und Kleinbetriebe des Agrarsektors zu rechnen ist. Er äußerte die Meinung, dass es zu einer wesentlichen Reduzierung der Ernte 2022 kommt, was sich gewiss auf die Verfügbarkeit von Mitteln für die Finanzierung und Durchführung der Produktionskampagne 2023 auswirken wird. Der Osten der Ukraine wird noch lange Zeit unter Zerstörung der kritisch wichtigen Infrastruktur beim steigenden Aufwand für Investitionsgewinnung und Erfüllung der Verbindlichkeiten leiden. Ein weiteres Problem stellt die Abhängigkeit der Düngemittellieferungen aus Russland und Belarus sowie unzureichende Kapazitäten für Transitexport über die EU im Vergleich mit ukrainischen Häfen dar. Von negativen Folgen der russischen Invasion in die Ukraine für den Binnenmarkt der Russischen Föderation sprach zum Schluss der Veranstaltung Roman Nejter von der Kyiv School of Economics. Er wies auf gewisse Probleme mit dem Getreideexport angesichts der vorübergehenden Einstellung von Geschäftsaktivitäten internationaler Getreidehändler in Russland hin. Die Agrarproduktion in Russland werde kurzfristig unter der Verteuerung von finanziellen Ressourcen und mittelfristig unter der Abhängigkeit vom Import der Landtechnik leiden. Zugleich kann mit einem erheblichen Einfluss wegen der Marktsituation für andere Produktionsressourcen, beispielsweise Pflanzenschutzmittel und Saatgut (abgesehen von Zucker), kaum gerechnet werden, denn die meisten Lieferunternehmen betreiben weiterhin ihre Produktion auf dem russischen Gebiet.
Nähere Informationen und Aufzeichnung der Veranstaltung sind unter https://www.youtube.com/ einzusehen.

Quelle: APD; Foto: APD; Datum: 06.04.2022

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