“Die Ukraine hat das Potenzial, ihre komparativen Vorteile im Agrarbereich auszubauen und ein zentraler Spieler auf den internationalen Agrarmärkten zu werden”, betont der Experte für Agrarpolitik Prof. Dr. Dieter Kirschke von der Humboldt-Universität zu Berlin.

Am 30. Oktober hat der Deutsch-Ukrainische Agrarpolitische Dialog auf dem Messegelände der InterAGRO ein Seminar “Das vertiefte und umfassende Freihandelsabkommen (DCFTA) – Chancen und Herausforderungen für den ukrainischen Agrarsektor” durchgeführt. Über 100 Vertreter aus (Land-)Wirtschaft und Politik haben über Konsequenzen aus der erwarteten Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens, das einen Abschluss des vertieften und umfassenden Freihandelsabkommens der Europäischen Union mit der Ukraine (DCFTA) enthält, diskutiert. Die Ergebnisse einer Analyse zu den Optionen im Agrarsektor wurden vorgestellt.

Der Botschafter der Bundesrepublik Deutschland, Herr Dr. Christof Weil, eröffnete die Veranstaltung und betonte, dass es in Vilnius bei der Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens und des DCFTA um ein allumfassendes System von wirtschaftlichen Standards und vor allem auch politischer Grundwerte gehe. Die Ukraine stehe vor einem entscheidenden Schritt in Richtung Europa.

Der Direktor für Internationale Zusammenarbeit des Ministeriums für Agrarpolitik und Ernährung, Herr Vadim Triukhan, unterstrich in seinem Grußwort die Bedeutung des DCFTA für die Entwicklung des Agrarsektors der Ukraine. Das Ministerium erwarte ein zusätzliches Wachstum im Agrarsektor. Für eine effektive Umsetzung der Abkommen würden staatliche Begleitmaßnahmen erforderlich, zu deren Vorbereitung und Durchführung internationale Unterstützung hilfreich sein würde.

Herr Oleh Kowal, stellvertretender Direktor der Kyiwsky Mizhnarodny Kontraktowy Jarmarok GmbH, Veranstalters der Messe InterAGRO, schloss die Begrüßungsphase ab, indem er auf den internationalen Charakter der Ausstellung hinwies.
Herr Prof. Dr. Dieter Kirschke, Leiter Fachgebiet Agrarpolitik der Humboldt-Universität zu Berlin, hielt den Hauptvortrag des Seminars. Er betonte, das DCFTA eröffne der Ukraine bemerkenswerte Chancen, ihre bestehenden Potentiale in der Landwirtschaft und im Handel mit Agrarprodukten besser auszuschöpfen. Das Abkommen baue Handelsrestriktionen ab und führe zu Anpassungen an die agrarpolitischen Rahmenbedingungen der EU. Dies werde zur Festigung der Wettbewerbsstellung und zur Entwicklung der Agrarexporte beitragen, teilte Herr Prof. Dr. Kirschke mit. Die Ukraine sollte in diesem Zusammenhang verlässliche, stabile Rahmenbedingungen für die Marktteilnehmer, ohne marktverzerrende Interventionen und mit einem überschaubaren Risikomanagement schaffen, die gleichzeitig ausreichenden Raum für nachhaltige agrarpolitische Anpassungen, z.B. mit Blick auf die weltweite demographische Entwicklung oder den Klimawandel, ermöglichen würden.

Nach dem Hauptvortrag fand eine Pressekonferenz statt, in dessen Verlauf die Journalisten und Zuschauer ihre Fragen an die Experten und Vertreter des deutschen und ukrainischen Staats stellen konnten. U. a. interessierte sich ein ukrainischer Besucher für die Chancen von ukrainischen Milchprodukten auf dem deutschen Markt; Herr Herbert Stefes, ein in der Ukraine niedergelassener deutscher Herrsteller von Pflanzenschutzmitteln, sprach über die Notwendigkeit von transparenteren agrarwirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die die Interessen von mittelständischen Agrarfirmen besser berücksichtigen würden. Währenddessen konnten andere Besucher auf der Kaffeepause bei einer Tasse heißen Kaffees gemütlich diskutieren.

Nach der Pause ging das Seminar mit einer Podiumsdiskussion weiter, die der Leiter des Deutsch-Ukrainischen Agrarpolitischen Dialogs Dr. Volker Sasse moderierte. In deren Rahmen legte Frau Veronika Movchan, Akademische Direktorin des Instituts für Wirtschaftsforschung und Politikberatung, Ergebnisse der o.g. Analyse zu den Auswirkungen des DCFTA auf den Handel mit ukrainischen Agrarprodukten dar. Die Studie belegt, erläuterte Frau Movchan, dass insbesondere durch die Reduzierung von Einfuhrzöllen im Laufe der kommenden zehn Jahre der Umsetzung des DCFTA das Wachstum der ukrainischen Exporte von Agrarprodukten und Nahrungsmitteln in die EU um zusätzliche 18-20 %-Punkte ansteigen würden. Eine Mitgliedschaft in der Zollunion (Russland, Weißrussland und Kasachstan) biete demgegenüber keine wichtigen wirtschaftlichen Vorteile, berge jedoch wirtschaftliche Risiken. Die Ukraine sollte ihre Wirtschaftsbeziehungen mit den Ländern der Zollunion im Rahmen der bestehenden bilateralen Verträge konsequent weiterentwickeln. Zur Abfederung des Wettbewerbsdrucks aus der EU sowie zur Förderung der ukrainischen Agrarexporte sollten staatliche Fördermaßnahmen vorbereitet und umgesetzt werden, die sich vor allem auf die Informationsbereitstellung, die Aus- und Weiterbildung sowie die Verbesserung der Infrastruktur in den betroffenen Produktionsbereichen konzentrieren sollte.

Die Sicht der ukrainischen Wirtschaft stellte Herr Volodymyr Lapa, Generaldirektor des Ukrainian Agribusiness Club, vor. Er sagte, das DCFTA biete zusätzliche Möglichkeiten für den Export bestimmter Agrarprodukte, insbesondere Getreide. Bei einigen Importpositionen würden Einfuhrquoten bzw. -zölle nur bedingt aufgehoben. Besonders vorteilhaft erscheine die Anpassung der nationalen Gesetzgebung an EU-Standards und Regeln. Dies werde zu stabileren Rahmenbedingungen führen und die Investitionen im Agrarsektor beleben. Die ukrainischen Produzenten müssten sich an die Qualitäts- und Produktsicherheitsstandards der EU anpassen, um Zugang zu den Absatzmärkten der EU zu erlangen. Das betreffe insbesondere Produkte der Viehzucht.

Frau Gerlinde Sauer, Geschäftsführerin der Arbeitsgruppe Agrarwirtschaft, Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft, sprach demnächst über die Perspektiven der Unterzeichnung des DCFTA für deutsche Unternehmen. Der Abschluss des Abkommens im November 2013 in Vilnius liege im Interesse der deutschen und ukrainischen Wirtschaft, unterstrich Frau Sauer. Mit Blick auf den Zugang der ukrainischen Agrarerzeuger zum EU-Markt sollte sich die Ukraine verstärkt dafür engagieren, den Zulassungsprozess insbesondere für Rindfleisch abzuschließen. Auf neue Handelshindernisse, wie z.B. die geplanten drastischen Importkontrollen im Bereich Pflanzenschutzmittel, sollte die Ukraine im Sinne des geplanten Assoziierungs- und Freihandelsabkommen und einer international wettbewerbsfähigen ukrainischen Landwirtschaft verzichten.
Das Seminar endete mit einer lebhaften Diskussion über notwendige Anpassungsmaßnahmen und bestehende Hindernisse im ukrainischen Agrarsektor, an der sich die Referenten und Zuschauer aktiv beteiligten. Abschließend zeigten die Besucher reges Interesse für die Informationsprodukte des APD und gaben positive Rückmeldung über die Veranstaltung.

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Foto: APD

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