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„Vom Veteranen zum Landwirt“ bzw. „Vom Krieg zum Land“

Am 10.05.2022 hat der Deutsch-Ukrainische Agrarpolitische Dialog (APD) zu einem Fachdialog mit dem Ministerium für Veteranenangelegenheiten der Ukraine eingeladen, um die Kommentierung, Ergänzungen und Anmerkungen zum Entwurf der „Strategie zur Förderung der unternehmerischen Initiativen von Kriegsveteranen für den Zeitraum bis 2030“ (weiter „Strategie“) zu diskutieren. An der Veranstaltung nahmen auch Vertreter und Vertreterinnen des Ministeriums für Agrarpolitik und Ernährung der Ukraine (MAPE) sowie kommunaler und Agrarverbände teil.

In seinem Grußwort berichtete der stellvertretende Generaldirektor der Abteilung für zivilgesellschaftliche Identität und Veteranenförderung, Maksym Kuschnir, über verschiedene Aktivitäten im Bereich der Sozialfürsorge und der Unterstützung der sozialen Wiedereingliederung von Veteranen bzw. durch den Krieg geschädigten Personengruppen, mit denen sich das Ministerium für Veteranenangelegenheit der Ukraine derzeit beschäftigt. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass die Zahl der Betroffenen aufgrund des andauernden Krieges weiter steigen wird. Das Ministerium unterstützt die Nachbearbeitung der Strategie und geht davon aus, dass die vorgeschlagenen Gesetzesinitiativen auch im ukrainischen Parlament Unterstützung finden werden. „Ein großer Teil von Veteranen sind junge Menschen im Alter von 20 bis 40 Jahren, die sich in der Landwirtschaft unternehmerisch intensiv betätigen können und wollen“, hob Kuschnir hervor. Frau Aljona Skorzova, Leiterin der Expertengruppe für Veteranenförderung im Ministerium, berichtete über Ergebnisse von Befragungen aus der Vorkriegszeit, wobei Veteranen (damals Veteranen der"Anti-Terror-Operation") ein großes Interesse an Existenzgründungen im Agrarsektor gezeigt haben. „Das Ziel der Strategie besteht darin, die Veteranen zu Unternehmern zu befähigen, die sich erfolgreich und aktiv in die Entwicklung des Unternehmens, der Gemeinde und damit ihres Staats einbringen. Damit wird die Förderung von Existenzgründungen durch Veteranen auch zur ländlichen Entwicklung und zur Unterstützung von Gemeinden und Kommunen beitragen“, stellte Skorzova fest.

Ein umfassender Kommentar zum Entwurf der Strategie wurde vom Präsidenten des Nationalen Verband der landwirtschaftlichen Beratungsdienste der Ukraine, Roman Korinets, vorbereitet und präsentiert. „Es ist wichtig, Zusammenhänge der Strategie mit anderen Regelungen in diesem Bereich, u.a. Rahmendokumenten, zu berücksichtigen. Zudem sind statistische und analytische Informationen erforderlich, um sich einen vollen Überblick über den Stand von Existenzgründungen durch Veteranen und die Entwicklung der von Veteranen geführten Unternehmen zu verschaffen“, sagte Korinets. Bei der Auswertung des Aktionsplans für den Zeitraum von 2022 bis 2024 zur Umsetzung der Strategie, wurde insbesondere auf die Notwendigkeit der Einführung von genauen Erfolgsindikatoren hingewiesen. „Darüber hinaus sollten Instrumente der Interaktion zwischen Veteranen und Gemeinden klar festgelegt und Unzulänglichkeiten behoben werden, die die Umsetzung der gesamten Strategie in Frage stellen könnten“, fügte Korinets hinzu.

Dieter Künstling, Geschäftsführer der IAK Agrar Consulting GmbH und Projektdurchführer des Projektes APD in der Ukraine, verwies in seinem Kommentar auf die Notwendigkeit, finanzielle Aspekte stärker zu berücksichtigen. Insbesondere ein Kostenbudget für Verwaltung und Umsetzung des Programms sollte vorgesehen werden. Daneben sollten auch Möglichkeiten geprüft werden, das Programm zur Förderung von Existenzgründungen durch Veteranen in die Wege zu leiten. „Um Agrarunternehmen wettbewerbsfähig und nachhaltig zu machen, muss zukünftig ein gewisser Eigenkapitalanteil vorgesehen und die Bereitschaft gezeigt werden, sich im Bereich der Agrarwirtschaft aus- und weiterzubilden, was vor allem für Veteranen wichtig ist, die bisher im Agrarsektor nicht beschäftigt waren“, betonte Künstling. Zudem besteht neben Starthilfen, zinsverbilligten Krediten und Investitionsbeihilfen auch ein dringender Bedarf nach Beratung bei Existenzgründungen in der Landwirtschaft. (Link zur Präsentation)

Katja Dells, Leiterin des Fachdialoges Boden des APD, ging in ihrem Kommentar auf zwei wichtige Fragen im Bereich der Bodenverhältnisse ein, die in der Strategie angesprochen werden: Zuweisung von Grundstücken an Veteranen; Teilabfindungen des Pachtpreises für Grundstücke, die den Veteranen im Rahmen der kostenlosen Privatisierung von staatlichen und kommunalen Flächen zur Verfügung gestellt werden. Sie schloss sich der Kritik kostenloser Privatisierung von Land an, welche korruptionsanfällig und aufgrund beschränkter Verfügbarkeit von Landressourcen nicht sinnvoll ist. Bleibt die kostenlose Privatisierung dennoch erhalten, müsste dieses Instrument nur jenen Kriegsveteranen zugutekommen, welche sich für die Gründung eines landwirtschaftlichen Betriebes entschieden und diesen Schritt mit weiteren Maßnahmen, wie z.B. Unterstützung bei der Entwicklung des Betriebskonzepts, Unterstützung beim Zugang zu Krediten, Begleitung durch landwirtschaftliche Beratungsdienste etc. zu fördern. „Daneben muss vor der Implementierung einer derartigen Regulierung geprüft werden, ob Fragen des kommunalen Selbstbestimmungsrechts tangiert, werden“, stellte Dells fest. In diesem Zusammenhang stellte Sie europäische Erfahrungen zur beschränkten Ausschreibung vorgestellt, an der nur bestimmte Personengruppen oder Unternehmer teilnehmen dürfen. (Link zur Präsentation)

Igor Abramyuk, Allukrainischer Verband der Gemeinden (VAG), vertritt die Meinung, dass die Ausstattung mit Ressourcen und Finanzen eine entscheidende Voraussetzung für die Umsetzung jeder Strategie ist. „Auch, wenn wir derzeit zu einer zwangsläufigen „Zentralisierung“ übergegangen sind, muss auf jeden Fall die Rolle der kommunalen Selbstverwaltung in der Ukraine bestehen bleiben und entsprechende Regulierungsinstrumente für kommunale Selbstverwaltungsorgane vorgesehen werden. Larysa Starikova, Agrarunion der Ukraine, zeigte auf die Notwendigkeit harter Haushalts- und Finanzierungsregulierung. „Mittel für die Umsetzung der Strategie müssen aus drei Töpfen fließen: Staatshaushalt, Kredit- und Finanzmittel, Fördermitteln der internationalen Geldgeber“. Pavlo Koval, Ukrainische Agrarkonföderation, konzentrierte sich auf das strategische Management. „In erster Linie müssen erforderliche Ressourcen abgeschätzt und die Frage geklärt werden, wer sich dem Programm anschließen möchte. Dementsprechend kann der weitere Plan konkretisiert werden“.

Am Schluss der Veranstaltung einigten sich die Teilnehmenden auf die Einrichtung einer Arbeitsgruppe zur weiteren Arbeit an der Strategie. Der APD wird die Arbeit des Ministeriums weiterhin unterstützen und dazu ukrainische sowie internationalen Erfahrungen bereitstellen.

Quelle: APD; Foto: APD; 

Datum: 10.05.2022

10.05.2022